Hadi, hadi nach Anatolien

Veröffentlicht auf von Barni J.R. / Hasl


Endlich Radln!

Istanbul war ein echtes Erlebnis, aber nach einer Woche intensivstem Sightseeing konnten wir es kaum erwarten, endlich in die Pedale treten zu können.
Am Montag früh morgens packten wir unsere Sachen zusammen und sattelten die Raeder. Kaum aufgestiegen, fing es auch sogleich an zu Regnen. Der Regen begleitete uns die ganze Strecke bis zum Hafen aber dies sollten die letzten Tropfen bis zum heutigen Tag sein.
Nach einer guten Stunde Fahrt mit der Faehre nach Yalova deckten wir uns dort noch mit Lebensmitteln ein und fuhren sogleich der Sonne entgegen.

Blauaeugig wie wir sind, haben wir uns vorab natürlich kaum über die topologische Beschaffenheit unserer Route informiert. Somit kam es für uns etwas überraschend, dass die erste Woche fast durchgehend aus Bergetappen bestand. Wir hatten zwar keinen Höhenmesser aber  geschaetzt überwanden wir in dieser Zeit durchschnittlich 1000 - 1500 Höhenmeter pro Tag mit unserem 50kg-Radl.

Belohnt wurde man jedoch jeden Tag aufs Neue mit einer unglaublichen Aussicht von unseren Zeltplaetzen auf die Umgebung und die unbeschreiblichen Sonnenunter- und aufgaenge.




Ab und zu wurden wir auch tatkraeftig beim Zeltaufbau unterstützt. Diese zwei Schaefer überredeten uns mit allen Mitteln der nonverbalen Kommunikation, unbedingt auf dem Zuckerrübenfeld unser Nachtquartier aufzuschlagen. Vor Allem der jüngere, im Bild kniende Schaefer, machte nicht gerade den hellsten Eindruck, aber das abgeerntete Zuckerrübenfeld war sehr bequem.
Auch der aeltere Schaefer bewies uns am naechsten Morgen eine erstaunliche Folge von intelligenten Taten:
Erst stellt er uns in der frühmorgendlichen Kaelte seinen Esel in die aufgehende Sonne, was er postwendend mit einem kleinen Lagerfeuer gutmachen wollte, dessen Rauch uns und den gesamten Zeltplatz inclusive Frühstück in  Rauchschwaden verschwinden liess. Zuguterletzt versaute er uns noch den Frühstückstee, indem er in unseren fertigen Schwarztee noch eine gute Handvoll seiner Teemischung hineinkippte.
Nichtsdestotrotz war er ein guter Kerl und wollte ja eigentlich nur das Beste für uns.




Die Landschaft stellte sich als sehr abwechslungsreich dar.
Von anfaenglicher bergiger, bewaldeter Gegend ...




... wurde es spaeter flacher, trockener und somit auch staubiger.





Man beachte die verschiedenen Fortbewegungsmittel der anatolischen Türken. Sie reichen von technisch ausgefeilten motorisierten Gefaehrten mit edlem, wohlgeformtem Design bis hin zu 1/2-PS starken Eselgespannen. In Geschwindigkeit und Transportvermögen sind beide in etwa gleichzusetzen.

Im Hintergrund des Kastenwagens suchten wir übrigens vergeblich den Aksehir-See, der leider fast ausgetrocknet ist.




Wir nahmen alle sich bietenden Möglichkeiten wahr, den schönsten, besten oder auch ab und zu kürzesten Weg zu finden.




Wir fanden meistens kleine aber feine Wege, vorbei an gemütlichen, abgelegenen Dörfchen und mitten durch Schafherden ...




... doch die Idylle trügt ...




... leider gehört in der Türkei zu jeder Schafherde nicht nur ein Schaefer, ein Esel und ein Schaeferhund, sondern mindestens fünf scharfe, aggressive Tölen. Auf türkisch heisst Hund "Köpek" und schlecht "kötü", wir schlussfolgerten daraus, dass davon unser deutsches Wort "Köter" abstammen muss.

Infolgedessen setzten wir unsere Reise meist nur mit Steinen bewaffnet fort.

Vielleicht wurden wir einmal in einem Dorf mit Hunden verwechselt, da uns Kinder beim Vorbeifahren mit Steinen beworfen haben. (Rotzleffen, elendige!!)



Das war aber glücklicherweise nur ein Einzelfall. Ansonsten praesentiert sich die Türkei als ein aussergwöhnlich gastfreundliches Land.

Fragt man einen Mann, der an einer Kreuzung unserer Auffassung nach auf etwas warten musste, nach dem Weg, so wird man sofort zu ihm nach Hause zu mindestens einem Tee und meist auch zum Essen eingeladen. Nicht selten geht es sogar so weit, dass man schon gegen Mittag ein Nachtquartier angeboten bekommt.




Wieder nach dem Weg fragend, wird man von Deutsch sprechenden Türken überrascht, die schon laengere Zeit in Deutschland gelebt haben und uns natürlich wieder zum Tee einladen.
Diese Frau ist mit 12 nach Darmstadt gekommen und wegen ihrem Ehemann wieder in die Türkei zurückgekehrt. Sie servierte uns zudem noch eine türkische Spezialitaet, naemlich "Baklahva", ein in Honigsirup getraenktes Blaetterteiggebaeck mit Nüssen oder Pistazien.




Faehrt man in der Türkei gemütlich in einen Ort hinein, wird man sofort von den alten, herumsitzenden türkischen Rentnern herbeigewunken. Die nahezu uniformiert auftretenden Maenner (jeder traegt einen Schnauzbart, ein Kaeppi, einen Stock und ein Hemd mit Weste und Sakko) haben allesamt die gleichen Hobbys: Unter Baeumen herumsitzen, Rauchen, Tee trinken oder auch nur stundenlang in die Luft schauen. Ansonsten, so vermuten wir, würde man hier als krasser Aussenseiter gelten.

Natürlich bekommt man hier wie auch sonst überall in diesem Land, kostenlos Tee serviert.




Nachdem wir unhöflicherweise auch mal ein paar Angebote zum Teetrinken ablehnen mussten, um doch ein Stück weiterzukommen, wurde uns sogar weitergeholfen, obwohl wir keiner Hilfe bedurften. Die Autos blieben einfach am Strassenrand stehen und fragten "... nerede?", was soviel bedeutet "Wo wollt ihr hin?".

Wir ergaben uns den Erklaerungen, obwohl wir den Weg eigentlich kannten.




Die Gastfreundlichkeit scheint schier grenzenlos zu sein. Hier ein paar weitere Beispiele von nur einem Tag:

- Erst laedt uns ein Mann zu sich nach Hause zur Brotzeit und zu Tee ein (siehe Foto oben).
- Auf einer vielbefahrenen Hauptstrasse wurden uns aus einem fahrenden Auto vier Zwetschgen und vier Aepfel gereicht.
- Im Ort Cay half uns ein englischsprechender Informatiklehrer stundenlang  bei unseren Besorgungen.
- Ein Angebot zur Übernachtung und zum Tee mussten wir in einem kleinen Dorf ablehnen, dafür drückten die Burschen uns zwei Aepfel in die Hand.
- Nach dem Weg fragend wurde uns von einem voll mit Aepfel beladenem Kipper 12 Aepfel in die Taschen geworfen.
- Kurz vor Einbruch der Dunkelheit waren wir auf der Suche nach einem Zeltplatz, als plötzlich ein Auto vor uns anhielt und drei türkische Maenner (einer davon mit Sonnenbrille im Album) ausstiegen und uns jedem ein Bier in die Hand drückten.

Mit 16 Aepfeln in der Tasche ging Tags darauf die Reise weiter ...



Vielleicht fraegt sich der eine oder andere Leser, wie man es auf solchen Reisen mit der Körperhygiene haelt.



Die Antwort darauf seht ihr in diesem Bild.

Zu unserem grossen Glück ist die bisher von uns durchquerte Region der Türkei mal mehr und mal weniger gespickt mit solchen Wasserstellen. Diese dienten uns stets als Trinkwasserquelle und auch ab und zu als Dusche.


Die letzten drei Radltage waeren landschaftlich ideal für schnelles Fortkommen gewesen, haetten wir nicht mit starken Südwind (was heisst hier Wind, es handelte sich eher um einen Südsturm!) zu kaempfen gehabt. Man stelle sich vor, wir mussten sogar steil bergab treten, um nicht stehenzubleiben, umzufallen und um unglaubliche 11 km/h zu erreichen. Dies wurde am darauffolgenden Tag nur noch von herumwirbelndem Sand getoppt. Die Situation glich einem Weltuntergang.

... aber dafür hat es seit Istanbul niemals geregnet.


Derzeitige Zwischenstatistik:

11 Radltage (nur 1/2 Tag Pause)
900 km
9 Tage Wildzelten
0 Pannen, nur haeufiges Kettenputzen
3 Tage Südsturm(siehe auch Foto "Seitenwind" im Album)
geschaetzte 100 Tulpenglaeschen Tee / Person



Zum Abschluss moechten wir euch noch auf die unbeschreiblichen, atemberaubenden Fotos im neuen Album hinweisen, die ihr nicht versaeumen dürft.


Viele Grüsse ins verschneite Bayern, besonders an den verlorenen Sohn und Heimkehrer MAX.
Ausserdem wünschen wir Euch allen viel Spass auf der Prollparty, wir werden uns heute ebenfalls ein Rüscherl genehmigen.


Iyi gün ler

Barni und Rainer
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M
<br /> Servus Abenteuer,<br /> Danke für die namentliche Erwähnung in eurem Blog. Das ehrt mich sehr (ihr seid ja schon Promis was ich so erfahren hab). Viel spass auf eurem Tripp!!!<br /> Die Leute scheinen sehr freundlich zu sein. Und als Zeichen eures Dankes habt ihr euch dann in deren Trinkwasser gebadet oder wie :-)?<br /> <br /> <br />
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B
<br /> Das hör ich gerne, Martin, ich weiss ja, dass das aus deinem Mund ein echtes Kompliment ist. Ist aber auch kein Wunder, schliesslich ernaehren wir uns gemaess deinem Ernaehrungsplan hauptsaechlich<br /> von Keksen und Schokolade.<br /> Also Martin, bleib uns weiter treu!<br /> <br /> <br />
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M
<br /> Jungs,<br /> das macht Lust auf mehr!<br /> Barni du schaust auf den Fotos übrigens a bisserl speckiger aus, wie in natur. Isst du heimlich Kebap, oder was?<br /> Hoşçakal<br /> <br /> <br />
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